Design des Transformations-Trainings
Autoren
Prof. Dr. Alfred Angerer / Thomas Drews
Einleitung
Es gibt zahlreiche Gründe, die für die Durchführung eines Lean-Trainingsprogramms sprechen (siehe auch Lean- Training: die Grundprinzipien und Stufenkonzept). Sobald der Entscheid über die Durchführung eines Programmsgefallen ist, muss geklärt werden, wie das Training genau auszusehen hat. Dieser Artikel zeigt auf, wie die Lean-Fähigkeiten der Mitarbeitenden in der gesamten Organisation ausgebaut werden können.
Leitfragen für die Praxis
- Welcher Mitarbeitende sollte wann und wie trainiert werden?
- Make or Buy – benötige ich externe Trainer?
- Wie viel Aufwand steckt hinter dem Training?
Detailbeschreibung des Konzepts
Grundsätzlich sind beim Designen eines Trainingsprogramms für die gesamte Organisation drei Phasen zu
unterscheiden:
- Vorphase: Mit einer PLT im Sinne eines Pilotprojekts Erfahrungen sammeln
- Feinplanung: Design eines mehrjährigen Trainingsprogrammes
- Umsetzung: Ausrollen des Trainingsprogramms über die gesamte Organisation
Vorphase: Mit PLT einen Leuchtturm schaffen
Das Training von Mitarbeitenden bindet viele Ressourcen und bedingt die Akzeptanz der Mitarbeitenden. Deswegen sollte das Gesamttraining gut geplant werden. Für die meisten Organisationen empfiehlt es sich, ein Vorprojekt durchzuführen, bevor das gesamte Trainingsprogramm geplant oder ausgerollt wird. In einem Vorprojekt wird mit externer Hilfe eine PLT durchgeführt. Diese PLT hilft als Pilot, die Interessengruppen und Skeptiker im Spital vom Nutzen einer Lean-Transformation zu überzeugen. Damit kann das Lean Transformationsteam das Ausrollen des Trainingsprogramms legitimieren.
Gemäss Poksinska (2010) wird in der Regel schon in diesem PLT ein Basistraining benötigt. Deswegen beschäftigen die meisten Organisationen externe Berater, die dieses Wissen mitbringen. So werden Grundlagen des Lean-Managements wie zum Beispiel Verschwendung erkannt oder kontinuierliche Verbesserung (Kaizen) in diesem Training gelehrt. Diese Grundlagen können auch von externen Anbietern vermittelt werden. Die Durchführung kann sowohl extern als auch intern in Form eines Inhouse-Seminars geschehen. Dieses Vorgehen ist unproblematisch, da wissenschaftliche Studien zeigen, dass Spital-Mitarbeitende in der Regel die Lean-Tools schnell verstehen (Jackson & Mazur, 2011). Nicht ausser Acht gelassen werden darf, dass es sich bei Lean nicht nur um eine Sammlung von Tools handelt, sondern damit eine Veränderung der Arbeitskultur möglich wird. Aus diesem Grund ist es mittelfristig wichtig, einige Trainingseinheiten auch intern durchzuführen. Wenn die Organisation in ihrem Transformationsprozess reifer geworden ist und eine eigene Lean-Philosophie entwickelt hat, sollte diese aus Glaubwürdigkeitsgründen intern durch institutionseigene Bildungsbeauftragte gelehrt (und auch gelebt) werden. Es empfiehlt sich deswegen, diese designierten Coaches bereits in der Vorphase in das Training zu involvieren. Diese Mitarbeitenden sind dann befähigt, später selbst als Trainer zu agieren («Train the Trainer»-Konzept).
Feinplanung: Designe das Trainingsprogramm
Wie alle aufwändigen Projekte sollte auch das Trainingsprogramm sorgfältig geplant werden. Die Durchführung des Pilot-PLT gibt einen ersten Hinweis darauf, welcher Trainingsbedarf besteht und mit welchem Aufwand zu rechnen ist. Das Trainingsprogramm sollte drei Kernphilosophien beachten:
- Gutes Training muss stufengerecht designt sein.
- Gutes Training ist interdisziplinär.
- Gutes Training wird vorgelebt und in der anschliessenden Umsetzung strukturiert begleitet.
Bei einer Lean-Transformation müssen nicht alle Mitarbeitenden gleich intensiv involviert sein. Um das zu koordinieren, sollte ein Stufenkonzept entwickelt werden. Während alle Mitarbeitenden die Stufe 1 «Verstehen» durchlaufen, so wird die höchste Stufe nur von wenigen Mitarbeitenden erreicht. Autoren wie Rother (2013) empfehlen ein kaskadenartiges System, bei dem die höhere Stufe die jeweils tiefere trainiert (vgl. Abbildung 1). So reizvoll das System klingt, so sind den Autoren keine Beispiele von Schweizer Spitälern bekannt, die nach diesem Prinzip vorgegangen sind.
Abbildung 1: Ausrollen der Trainings durch die Organisation (in Anlehnung an Rother, 2013, S. 258)
Als zweiten Punkt bei der Planung ist zu beachten, dass die Trainingseinheiten interdisziplinär gestaltet werden sollten. Es ist allerdings davon abzuraten, berufsgruppenspezifische Trainings anzubieten. Die Praxiserfahrung aus den Weiterbildungskursen von H+Bildung und dem Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie bestätigen den Nutzen gemischter Gruppen. Denn bei einer Lean-Transformation sind interdisziplinäre Gruppen von entscheidender Bedeutung – nicht umsonst ist die «Systemleistung» eine der vier Säulen der Lean-Vision. Da das Training zur Verhaltensveränderung ausserhalb des Klassenraumes führen soll, ist eine Trennung nach Berufsgruppen nicht sinnvoll und kontraproduktiv. Das gilt auch für eine Trennung nach Hierarchiestufen. Wie sollen Mitarbeitende den Lean-Gedanken leben, nämlich, dass ihre Meinung zählt und von Führungskräften respektiert wird, wenn die Manager gesonderte Kurse absolvieren? Gerade wenn die Führungsspitzen die Kurse besuchen und in der Praxis das Gelernte vorleben («walk the talk»), wird das organisationsweite Trainingsprogramm geschätzt werden und der Kulturwandel gelingen.
Bei aller Wichtigkeit des Trainings: Führungskräfte sollten sich auch klar der Grenzen eines Trainings bewusst sein. Theoretische Trainings alleine werden zu keiner Verhaltensänderung führen. Deswegen muss das Training eng mit der Praxis verknüpft werden. Das Gelernte muss im Anschluss an das Training im Arbeitsalltag Anwendung finden. Aber auch beim Design der Trainingsform kann Einiges getan werden, damit die Praxisnähe gewährleistet wird. Moderne Lernforscher (zum Beispiel Kolb & Kolb, 2005; Proctor, 2014) empfehlen «experiential Learning» (deutsch: Erfahrungslernen). Dabei erarbeiten und erleben die Trainingsteilnehmenden zusammen mit ihren Kollegen die Trainingsinhalte und können anschliessend individuell über das Erlebte reflektieren. Diese Art des Lernens ist besonders für die Erwachsenenbildung geeignet und wird von Lean-Experten sehr empfohlen (zum Beispiel Benkert & van Dam, 2015), da es der natürlichen Art des Lernens von Berufstätigen entspricht. Eine Form des Erfahrungslernens, die sich bei komplexen Change-Projekten bewährt hat, ist das Training in Simulationszonen.
Praxisempfehlungen
Make or Buy? Die Rolle externer Trainer
- Externe Trainer mit Lean-Health-Know-how sollten die Initialtrainings unterstützen. Basistrainings (zum Beispiel Einführung in Lean-Tools) können in der Regel problemlos ausgelagert werden. Spezialtrainings, die zum Beispiel die Kultur betreffen, sollten nach Möglichkeit intern trainiert werden.
- Externe Trainer können auch dann sehr nützlich sein, wenn interne Trainer nicht mehr «gehört» werden. Grund dafür kann eine fehlende Glaubwürdigkeit sein, was in einer Expertenorganisation wie einem Spital schnell vorkommen kann. Ein externer Trainer, der von der eigenen Erfahrung in Lean-Hospital-Projekten berichtet, kann zum Beispiel bei der tendenziell eher kritischen Ärzteschaft Bonuspunkte sammeln.
- Im Verlauf der Transformation sollten sukzessiv interne Trainer zum Einsatz kommen. Externe Trainer sind in späteren Phasen vor allem nützlich, um die internen Trainer zu coachen und weiterzuentwickeln.
- Aus diesen Gründen sollte schon in der frühen Phase des Trainingsdesigns darauf geachtet werden, ausreichend Budget und personelle Ressourcen für den Aufbau einer Inhouse-Schulungseinheit zu bilden. Bei den meisten Spitälern wird diese Trainingskompetenz bei Personen aufgebaut, die sich in Stabstellen um die Prozessoptimierung kümmern.
Trainings-Mengengerüste
- Für eine erfolgreiche Transformation müssen prinzipiell sämtliche Mitarbeitende trainiert werden, jedoch in sehr unterschiedlicher Intensität.
- Einen groben Anhaltspunkt über die Anzahl an Mitarbeitenden kann die folgende Regel geben, die in einem industriellen Betrieb angewendet wird. Dabei sollte für eine Organisation mit 1’000 Mitarbeitenden folgendermassen trainiert werden:
Abbildung 2: Anzahl zu trainierender Mitarbeitenden pro Stufe
Quellenzitierung
Bitte zitieren Sie diese Quelle wie folgt:
Angerer, A. & Drews, T. (2016). Design des Transformations-Trainings. In: A. Angerer (Hrsg.), LHT-BOK Lean Healthcare Transformation Body of Knowledge: Edition 2018–2019. Winterthur. Abgerufen von www.leanhealth.ch
Literatur
Benkert, C., & van Dam, N. (2015). Experiential learning: What’s missing in most change programs. McKinsey & Company Operations Extranet.
Jackson, M., & Mazur, L. M. (2011). Exploring Lean Healthcare Transformation using The Theory of Planned Behavior. IIE Annual Conference. Proceedings, S. 1–6.
Kolb, A. Y., & Kolb, D. A. (2005). Learning Styles and Learning Spaces: Enhancing Experiential Learning in Higher Education. Academy of Management Learning & Education, 4(2), S. 193–212.
Poksinska, B. (2010). The current state of Lean implementation in health care: literature review. Quality Management in Health Care, 19(4), S. 319–329.
Proctor, A. (2014). The Effectiveness of Experiential Learning in Health Promotion: Three Case Studies Looking at Innovative Initiatives in India. SIT Graduate Institute/SIT Study Abroad. Abgerufen von http://digitalcollections.sit.edu/capstones/2692.
Rother, M. (2013). Die Kata des Weltmarktführers : Toyotas Erfolgsmethoden (2. erw. Aufl.). Frankfurt am Main: Campus-Verl. Abgerufen von https://content-select.com/media/moz_viewer/520a3c88-bde4-4b36-8ae0-79862efc1343.