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Kaizen

Autoren

Prof. Dr. Alfred Angerer / Robin Schmidt

Einleitung

Kaizen (japanisch «Wandel zum besseren») ist ein methodisches Konzept, bei dem es um einen ganzheitlichen Verbesserungsprozess geht. Kern dieses Ansatzes bilden drei Elemente: beziehe alle Mitarbeitenden ein, verändere dich in kleinen Schritten und höre nie auf dich zu verbessern. In diesem Beitrag wird aufgezeigt, warum sich diese Veränderungsphilosophie in der Lean-Vision durchgesetzt hat.

Leitfragen für die Praxis

Detailbeschreibung des Konzepts

Eine Lean-Transformation bedeutet (unter anderem) eine Veränderung der bestehenden Prozesse zum Besseren. Es gibt mehrere Ansätze, wie dies zu bewerkstelligen ist. Unternehmen können in einem «Process-Reengineering»-Ansatz eine radikale Veränderung von heute auf morgen anstreben (siehe z.B. Dixon, Arnold, Heineke, Kim, & Mulligan, 1994). Dazu werden in der Regel Veränderungsprojekte aufgesetzt. Ziel dieser klassischen Optimierungsprojekte ist es, durch einen zeitlich konzentrierten Einsatz von Ressourcen eine einmalige und signifikante Verbesserung zu erreichen. Wenn es sich um vernetzte Systeme handelt, kann dies gemäss Walker (2013) durchaus der richtige Ansatz sein. Ein Beispiel dafür ist die Einführung eines neuen Triage-Konzeptes in der Notfallstation. Würde man hier nur die Aufnahme der Patientendaten beschleunigen, welche aber nicht den wesentlichen Engpass des Prozesses darstellt, würden sich die Wartezeiten lediglich an einen anderen Ort verschieben. Der Ansatz «Process-Reengineering» birgt allerdings zwei grosse Nachteile: Die umfangreiche Veränderung kann die Mitarbeitenden überfordern, so dass das Projekt scheitert. Und auch wenn die neuen Prozesse während des Projekts noch gut funktionieren, besteht die Gefahr, dass nach Projektende die Mitarbeitenden in alte Routinen verfallen und die erzielten Gewinne schnell wieder verloren gehen könnten.

Im Gegensatz zum «Process-Reengineering» kennt «Kaizen» diese Nachteile nicht. Die Optimierung geht in kleinen Schritten voran und bindet die Mitarbeitenden stark in den Verbesserungsprozess ein (vgl. Abbildung 1). Dadurch wirken Kaizen-Projekte auf die Mitarbeitenden «menschlicher» und erfordern weniger Change Management.

Abbildung 1: Vergleich Kaizen gegenüber Process Reengineering (in Anlehnung an Becker, 2008)

Kaizen als lebenslange Aufgabe

Kaizen-Verbesserungssysteme sind auf Dauer ausgelegt und somit keine einmaligen Projekte. Die Mitarbeitenden sind aufgefordert, jeden Tag über Kaizen-Massnahmen nachzudenken. Sie sollen mit offenen Augen durch den Arbeitsalltag gehen, Verschwendung identifizieren und Lösungsvorschläge unterbreiten. Diese Verbesserungen sind häufig eher kleiner Natur, wie beispielsweise die Anpassung eines Formulars. Im Verlaufe der Zeit summieren sich die vielen kleinen Verbesserungen zu erheblichen Effizienz- und Qualitätssteigerungen. Die Philosophie sieht auch kein Ende des Kaizens vor. Denn jede Organisation hat und wird immer Verbesserungspotenzial haben. Kaizen ist demzufolge per Definition kein Projekt, da es kein geplantes Ende hat. Die Kaizen-Vision ist, das perfekte, fehlerfreie Spital zu kreieren.

Kaizen als Führungsprinzip

Mitarbeitende müssen in die Weiterentwicklung des Krankenhauses einbezogen werden. Top-down-Verbesserungen, die hierarchisch von oben nach unten diktiert werden, sind sehr oft zum Scheitern verurteilt (Angerer, 2015). Aus diesem Grund ist es sinnvoller, die Mitarbeitenden einzubeziehen, um die Qualität der Verbesserungsvorschläge und die Motivation zur Durchsetzung sicherzustellen (Bottom-up). In der Schweiz haben einige Spitäler bereits sogenannte Kaizen-Boards eingeführt, um die Vorschläge in regelmässigen Meetings zu sammeln. Insgesamt haben die Schweizer Spitäler jedoch noch Aufholpotential, was die Einführung von Kaizen-Systemen betrifft, wie eine Studie von Angerer, Tischhauser und Brand (2015) zeigt. Ein nächster Entwicklungsschritt ist, nicht nur die Mitarbeitenden, sondern auch die Patienten in die Verbesserungsaktivitäten einzubeziehen. Der Vorteil ist im Spital im Vergleich zur produzierenden Industrie, dass die Kunden unmittelbar an der Wertschöpfung beteiligt sind.

Konzepte und Werkzeuge des Kaizen-Konzepts

  • Der PDCA-Zyklus ist eine der bekanntesten Methoden der kontinuierlichen Verbesserung (Aleu & Van Aken, 2013). Die vier Buchstaben stehen für die relevanten Schritte: Plan, Do, Check, Act.
  1. «Plan» steht für die Initialisierung der Veränderung. Dies umfasst die Erfassung der Ist-Situation sowie die Identifizierung der Gründe für die derzeitige Situation. Im Anschluss werden Verbesserungsmöglichkeiten ausgearbeitet und deren Wirkung abgeschätzt. Mögliche Tools für die Erfassung der Ist-Situation und deren Gründe sind zum Beispiel Fishbone-Diagram, Gemba, Root-Cause-Analyse und Wertstromdiagramme.
  2. Im Rahmen des «Do» wird die entwickelte Verbesserungs-Idee in Form eines Tests oder eines Piloten auf ihre Praxistauglichkeit untersucht.
  3. Für die Phase «Check» wird teilweise auch der gleichbedeutende Begriff «Study» verwendet. In dieser Phase wird die «Do-Phase» ausgewertet. Der Erfolg der Idee wird idealerweise gemessen und quantifiziert.
  4. Aufgrund der Resultate der Auswertung wird nun die Veränderung entweder institutionalisiert, angepasst oder verworfen («Act»).

Die Durchführung eines PDCA ist kein einmaliges Unterfangen. Im Sinne von Kaizen folgt auf jeden PDCA
automatisch ein weiterer (Graban, 2012).

  • Kaizen-Boards (vgl. Abbildung 2) sind ein geeignetes Instrument, um kontinuierlich kleine Verbesserungen rasch umzusetzen. Ein Kaizen-Board verfügt typischerweise über vier Felder («Ideas», «To Do», «Doing», «Done»). Die Tafel wird an einem neuralgischen Punkt platziert (Pausenraum, Stationszimmer, Rapportraum). Das Kaizen- Board folgt einem starken Bottom-up-Ansatz. Jeder Mitarbeitende, unabhängig von seiner Position, kann seine Verbesserungsvorschläge einbringen. Die Ideen werden auf kleinen Karten festgehalten (vgl. Abbildung 3). Die Ideen der Mitarbeitenden werden gesammelt und in regelmässigen Treffen offen diskutiert und Massnahmen verabschiedet. Das ist ein grosser Unterschied zu den üblichen Verbesserungskästchen, bei dem ein Vorschlag anonym in ein Kästchen gesteckt wird und diese Kästen dann häufig eher als Beschwerdebox missbraucht werden.


Abbildung 2: Beispiel eines Kaizen-Boards




Abbildung 3: Beispiel einer Kaizen-Karte

  • RPIW steht für Rapid-Process-Improvement-Workshop. Dieser sollte zweimal jährlich ausserhalb des
    Tagesgeschäftes durchgeführt werden und dauert mindestens zwei Tage. Ziel ist die Eliminierung von
    Verschwendung (Muda). 
  • zugunsten erhöhter Servicequalität und Sicherheit. Der RPIW umfasst 9 Schritte (Walker, 2013):
  1. Einbezug aller Hierarchieebenen und Vermittlung der wichtigsten Kenntnisse über bestehende Lean-Tools
  2. Vorstellung von Ideen, welche nicht direkt im Rahmen von Kaizen o.Ä. behandelt werden konnten
  3. Bildung von drei Teams und Durchführung von Gembas zur Auffrischung des Prozessverständnisses
  4. Bei Gembas wird der Fokus auf Muda gelegt und dokumentiert.
  5. Ausarbeitung von Ideen zur Reduktion von Muda
  6. Testen der Ideen mit mehreren Iterationen
  7. Je nach Wirksamkeit folgt die direkte Implementierung des Prozesses.
  8. Teams tauschen Resultate aus
  9. Aufarbeitung der Verbesserungen und Aktualisierung der Prozessdokumentationen. Kommunikation an Mitarbeitende

Praxisempfehlungen

Quellenzitierung

Bitte zitieren Sie diese Quelle wie folgt:

Angerer, A. & Schmidt, R. (2016). Kaizen. In A. Angerer (Hrsg.), LHT-BOK Lean Healthcare Transformation Body of Knowledge: Edition 2018–2019. Winterthur. Abgerufen von www.leanhealth.ch

Literatur

Aleu, F. G., & Van Aken, E. M. (2013). Continuous Improvement Projects in Hospitals: A Systematic Literature Review. IIE Annual Conference. Proceedings, S. 1051–1060.

Angerer, A. (2015). Die Lean-Philosophie in der Praxis. In: D. Walker (Hrsg.): Lean Hospital: Das Krankenhaus der Zukunft. Berlin: MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.

Angerer, A., Tischhauser, A., & Brand, T. (2015). Kontinuierliche Verbesserungsprozesse - Von der Industrie inspiriert. F&W, 8 (15), S. 636–639.

Becker, T. (2008). Prozesse in Produktion und Supply Chain optimieren (2., neu bearb. erw. Aufl. 2008). Springer.

Dixon, J. R., Arnold, P., Heineke, J., Kim, J. S., & Mulligan, P. (1994). Business process reengineering: Improving in new strategic directions. California Management Review, 36(4), S. 93.

Graban, M. (2012). Healthcare kaizen: engaging front-line staff in sustainable continuous improvements. Boca Raton: Taylor & Francis/CRC Press.

Walker, D. (2013). Jetzt kommt der Patient: Das Notfall-Flusskonzept. Zürich: walkerproject ag.

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